Mittwoch, 1. Mai 2013

Staatsstreiche II

Zweiter Akt. Pazifische Sommerzeit, der Himmel ist trotzdem dunkel. Ich steht vor dem Ministerium für die Registrierung von Personen, genannt Einwohneramt. Einwohner ist Ich noch nicht. Er tritt schüchtern auf den Eingang zu.

Einwohneramt: Einlasskontrolle:
Wachmann (leicht gestresst): "Turno, Termin? Wo hast du deinen Termin?"

Ich (routiniert): "Hab keinen, mein letzter ist von heute Morgen"

Wachmann: "Ach du, der Schweizer schon wieder, hab dich zuerst nicht erkannt, geh nur rein!"

Ich: Hat den Wachmann erkannt. Trottet weiter. Erkennt beängstigt, dass sich die ganze Belegschaft seit dem Morgen ausgetauscht hat.

Neue weniger nette Dame: "Was brauchst du, wo ist deine Nummer?"

Ich: "Ähm, ich war heute schon mal hier, mir fehlte aber die Zertifizierung, ähh nein, die Beglaubigung, aber die musste ich dann auch... "

Doch ganz nette Dame unterbricht Ich.

Doch ganz nette Dame: "Hab davon gehört geh weiter zur Überprüfung deiner Dokumente, Schalter 2 der kann auch englisch"

Englisch sprechender Beamter: "Cool! Du wirst Argentinier, cool und das als Schweizer, wieso das denn?!"

Ich: "Ja cool..."

Ich und der englisch sprechende Beamte mögen beide das Wort cool, darauf beschränkt sich dann auch die englische Konversation und Ich erzählt ihm seine Leidensgeschichte, er ist auf Mitleidsuche.

Typ vom Schalter 3: "Das tut mir leid. Wärest du doch schon vorher am Nachmittag gekommen, dann sind alle alten Beamte vom Morgen weg und wir jüngeren übernehmen das Ruder. Alles ganz locker, ganz locker. Komm ich nehme deine Personalien auf!"

Ich (glücklich zweifelnd): "Cool, hier all meine Dokumente."

Mädchen vom Schalter 4 schielt rüber. Typ von Schalter 3 nimmt alle Daten auf.

Mädchen vom Schalter 4: "Du bist doch schon mal hier gewesen? Haste jetzt alles, super, komm geh zahlen und ich geh kurz zum Chef für die Unterschrift."

Ich schwebt beflügelt zum dritten Posten - Kasse - zahlt 35 Peso und auf seiner linken Backe lässt sich ein Lächeln erkennen. Mädchen vom Schalter 4 kommt angerannt. Lächeln zieht sich zurück.

Mädchen vom Schalter 4 (auf die Dokumente guckend): "Dani, die Chefin will noch kurz mit dir sprechen und hier ist noch die "Acta de opción por la nacionalidad" musst du unterschreiben."

Ich sieht die Chefin herbeieilen und bemerkt, dass nicht die ganze Belegschaft am Mittag wechselt und unterschreibt rasch auf dem Boden das Dokument. Die ehemals grimmige anschliessend nette und wie sich herausstellt erneut grimmige Chefin stellt sich vor Ich auf.

Grimmige Chefin: "Hola Dani, hast du ja alles ganz gut gemacht aber warum ist die zertifizierte Übersetzung, die du beglaubigen lassen hast nicht an das originale Familienbüchlein geheftet? Das geht so nicht!"

Ich ist im ersten Moment erstaunt, wie simpel sich seine letzten Stunden anhören. Ist dennoch perplex.

Ich: "..."*

Ich bemerkt, dass das Ministerium ein sehr schönes Gebäude ist... un

Ich: "..."*

...und erst die Decke, eine architektonische Meisterleistung.

Grimmige Chefin (wird lieb): "Ach Junge, du siehst fertig aus.  Schau ich versteh dich, aber nicht was du sagst. Geh weiter zum nächsten Schalter und lasst die Dokumente scannen und deine Fingerabdrücke nehmen. Das lässt sich auch so regeln. Anna bring ihn doch gleich zum Schalter."

Ich folgt gefügig dem Mädchen vom Schalter 4, genannt Anna, zum Schalter.

Anna (zur Beamtin am Schalter): "He, Flor hier ist Dani, mach ihm doch eine D.N.I. Er ist Schweizer."

Flor: "Na dann los, ich brauch all deine Dokumente zum Scannen. Dann die Fingerabdrücke, Foto und eine Unterschrift. Geht ganz schnell."

Ich gibt Dokumente, Finger, Autogramm und ein unwirkliches Lächeln für die Kamera. Es geht schnell.

Flor: "So Dani, jetzt noch ein paar Tage warten und du bist einer von uns, Argentino! Gratuliere! Ruf übermorgen an und wir können dir wohl schon vorerst deine D.N.I.-Nummer durchgeben. Gut Glück, chao!"

Ich ab.

Vorhang.
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Übermorgen, pazifische Sommerzeit. Die Sonne scheint. Ich sitzt im Büro und hadert vor den Tasten des Telefons. Er wählt die Nummer, kennt er bereits auswendig wie auch das Prozedere. "Wollen Sie den Status Ihrer Bearbeitung erfahren? Drücken Sie die Eins", Ich drückt die Eins. "Bitte geben Sie ihre D.N.I.-Nummer ein und bestätigen Sie mit der Rautetaste", Ich gibt irgendwas ein, er hat ja keine Nummer. Die sympathische Telefonstimme wiederholt die Nummer und fragt: "Ist die Nummer korrekt? Dann drücken sie die Eins". Ich drückt die Eins. "Für Ihre Anfrage müssen wir Sie mit einem Mitarbeiter verbinden, bitte warten Sie". Ich wartet, es läuft schöne Musik, allmählich kann er neben der Nummer auch den Song auswendig. "Knock-knock-knockin' on...", es knackt in der Leitung "Hola, wie kann ich Ihnen helfen?". Ich erklärt sein Anliegen und erhält eine unverständliche Antwort. Irgendwas stimme da nicht, storniert, Prozess nicht weitergeleitet. Ich versteht nur spanisch.

Zweiter Versuch mit Unterstützung eines Arbeitskollegen erbringt das gleiche Resultat. Ich ist stolz, er versteht mehr spanisch als ihm lieb ist. 
Ich verzweifelt, irgendein Dokument fehlt.


Einwohneramt: Einlasskontrolle (30 Minuten später):
Wachmann: "Ach schon wieder da, weisst ja wie du reinkommst."

Ich tritt ein zielstrebig den Schalter anstrebend. 

Typ vom Schalter 3: "Hey, schon wieder da, wie geht's?"

Typ vom Schalter 3 gibt Ich Küsschen, Ich gibt Typ vom Schalter 3 Küsschen, wie es sich in Argentinien für altbekannte gehört. Da kommt Mädchen vom Schalter 4, nun vom Schalter 6, vorbei.

Mädchen vom Schalter 4: "Hola, wieder hier?"

Ich gibt Küsschen.

Grimmige Chefin: "Ja ja, da hat was nicht geklappt, wo hast du denn deine "acta de opción por la nacionalidad" die wurde nicht gescannt, die hättest du unterschreiben müssen und ab in den Scanner!"

Ich gibt kein Küsschen und hält seine Acta hin, unterschrieben, doch wollte sie vor zwei Tagen niemand haben.

Grimmige Chefin: "Na dann, ab zu Flor, weisst ja wo sie sitzt. Zahlen musst du nicht noch einmal, ist schon okay."

Nicht wirklich dankbar schlendert Ich zu Flor.

Flor: "Hola, also das ganze nochmal?"

Ich bestätigt, gibt Küsschen.

Zehn Minuten später ist Ich zum zweiten Mal Argentinier geworden. Er dankt, verteilt Küsschen und verlässt das Ministerium. Sich selbst wünscht er Glück...

Ich ab.

Vorhang
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*Der Autor kann und will sich bei reinstem Gewissen nicht mehr an den genauen Wortlaut von Ich erinnern.








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