Freitag, 29. März 2013

Grossstadtdschungelgeysire

Ich hatte mich ja an das Leben im Walde gewöhnt. Und es war bedeutend ungefährlicher, als es gemeinhin angenommen wurde. Also sollte die Wildnis Grossstadt doch ein Leichtes sein. Es herrschen aber ebenso hier Gefahren. Trotz des Namens sollte dich Buenos Aires nicht in die Luft gucken lassen. Jeder Schritt auf den Trottoirs birgt Gefahren. Natürlich gibt es die Haufen der Hunde in den edleren Barrios, weit tückischer sind aber die sogenannten Fallsteine. Nichtsahnend schreite ich voran und plötzlich lässt der Boden unter mir nach. Eine Bodenplatte auf dem Gehsteig dreht sich und mein Fuss steckt im Untergrund. Glücklicherweise gibt es hier keine, wie in der georgischen Wildnis behauptet, Trolle in Höhlen, so komme ich mehrheitlich unbeschadet wieder auf die Erdoberfläche zurück. Bei Regen fürchte ich mich zusätzlich vor den Fallsteinen. Sie verwandeln sich zusätzlich zu Geysiren, wenn ich darauf trete, schiesst das gesammelte Regenwasser von unten durch die Ritzen hoch.
Untitled 
Mein Umfeld beglückwünschte mich ebenfalls, dass ich nun in der Grossstadt Abstand vom feurigen Schnaps aus dem wilden Kaukasus gewinne. Stimmt! Aber auch hier lauern Versuchungen hinter jeder Strassenecke. Eine Empanada schmeckt mindestens so gut wie eine Chatschapuri und zum Runterspülen gibt es auch Alternativen. So stellte ich erschrocken fest, als ich heute in einen Park ging, dass in meinem Beutel eine Thermoskanne und ein Becher steckten. Der Mate - er hat mich erwischt. Und so vergisst man auch bald die schmutzig nasse Hose von den Geysiren...
Die schönen Gefahren von BsAs



Samstag, 9. März 2013

Sicher! Freiheit!

Sie entwickelt sich ein bisschen zu meinem Lieblingsthema, die Bürokratie. Sie scheint mir allgegenwärtig. Auch wo ich herkomme, versucht sie mich zu fesseln, doch weiss ich dort besser ihr zu entfliehen.
In Buenos Aires bin ich noch nicht so ortskundig. Obwohl, die kleine Geschichte hier hat eigentlich gar nichts mit ihr zu tun. Die Schuld bekommt sie trotzdem. Diese Woche musste ich auf die Botschaft. Die Schweizer? nein, die Argentinische? nein, sondern auf die Deutsche. Dort konnte ich eine Übersetzung abholen. Pünktlich wie eine Schweizer Uhr wollte ich mich früh auf den Weg machen, doch meine Dokumente habe ich am Vortag in einem Büro einer Stiftung vergessen. Also zuerst dort hin, aber ganz tranquillo, heute erlaubt die Alarmanlage im Büro keinen Eintritt vor 9.30 Uhr. Der Sicherheit wegen.
Letztendlich habe ich die Dokumente in der Tasche. Jetzt aber los. Bei der Botschaft angekommen, fragt der Wächter:

"Was wollen Sie?"

Meine Antwort:

"Die Übersetzerin treffen."

Er wiederum:

"Das ist hier eine Botschaft, brauchen Sie ein Visum?"

Mein freundlichstes Ich:

"Ach, danke für die Info, aber ich habe einen Termin."

Der Sonnenschein mir gegenüber:

"Na dann, alle elektronische Geräte abgeben."

Und die Sicherheitstür öffnet sich. Nach drei weiteren sitze ich im Warteraum. Die Übersetzerin begrüsst mich. Es scheint alles zu klappen. Sie geht nochmals kurz für eine Kopie raus und dann, dann...
Dann fällt das System für die Sicherheitstüren aus. Ich sitze wie irgendein Reptil im Glaskasten und schaue den Sicherheitsleuten zu, wie sie rumrennen und versuchen die Türen auf zu bringen. Die Übersetzerin winkt mir zu, ich winke zurück. Ich zähle die Sekunden auf der Uhr, man soll sich ja in Geduld und Konzentration üben. Und ich denke an den Spruch, der mir gesagt wurde, als wir in einer Villa (Armutsviertel) ein Sozialprojekt besuchen durften: "In eine Villa hinein kommt man immer." Bei der Botschaft war das Hineinkommen schon schwierig und über das Herauskommen will ich gar nicht nachdenken. Sowieso besser, lenkt mich bloss vom Warten ab.
In anderen Ländern reicht auch einfach eine  Plombe für die Sicherheit der Türen
Nach geraumer Zeit reicht es mir und ich will diesen Moment festhalten. Ich suche mein Handy, um Fotos zu schiessen. Doch wo ist es? Alles durchsuche ich. Dann nochmals, habe ja Zeit. Draussen schaut man mir zu wie einem Tango tanzenden Gekko im Terrarium. Mir egal, wo ist mein Handy! Also das ist doch die Höhe! In die Botschaft hinein zukommen ist schwierig, raus eventuell unmöglich und geklaut wird hier wohl auch öfters, als in den berüchtigten Viertel!
Ach, ganz vergessen, die Konzentration. Ich zähle wieder die Sekunden. Und da, Heureka! Nicht das Handy aber meinen Verstand. Ich musste doch alle elektronischen Geräte beim charmanten Wächter abgeben. Und siehe da, ein Wachmann kommt mit dem Schlüssel und entlässt mich. Die Übersetzerin gibt mir alle Dokumente und wünscht mir ¡suerte! Danke, kann ich brauchen.
Dass die Geschichte hier eigentlich noch nicht zu Ende ist, lasse ich jetzt weg (eine Übersetzung wird erst akzeptiert, wenn sie beglaubigt wurde, was ein weiteres Amt bedeutete).
Gestern geriet ich dann in die Demonstration des Tages der Frauen. Nachhause gehen oder mitziehen? Ich zögere, bunte Gruppen ziehen mit Fahnen an mir vorbei. Da sehe ich einige Banner, die "Libertad" fordern. Ich besann mich und folgte ihnen...
Richtung Freiheit

Samstag, 2. März 2013

Vertraut exotisch

Im Europa Südamerikas lebt es sich ja bekanntlich federleicht. Wenn nicht zufällig eine Staatskrise, -bankrott, -diktatur, -präsidentin dazwischen kommt ist es für mich doch beängstigend vertraut hier. Dachte ich zumindest - denke ich auch noch mehrmals täglich.
Bin ich aber unterwegs in dieser riesigen Stadt zeigen mir kleine Dinge immer wieder, dass ich mir nicht zu gewiss sein sollte. So wollte ich mir einen Jugo, frisch pürierter Fruchtsaft machen. Kein Problem ab in den Supermarkt, heisst sogar hier Carrefour. Die Vitamintheke gähnt mich mit grosser Langeweile an. Die exotischste Variante wäre Apfel-Banane-Pflaume. Also weiter in einen sogenannten Chino. Hier wird man bedient, wie in einem Tante Emma Laden, die Auswahl gleicht diesem aber auch. Ich frage, hat's nichts tropisches? aus dem nahen Norden? No señor! Auf der Glastheke sehe ich aber etwas komisches und frage danach, fast hoffend keine Antwort zu bekommen. Meine Ahnung wurde bestätigt, da liegen zwei Gürteltiere, bereits fein säuberlich ausgenommen. Ein Foto solle ich davon nicht machen, obwohl dem Ladenchef auch nicht ganz klar zu sein scheint weshalb nicht.
Ok, genug exotisches. So gehe ich weiter und suche mir ein Café. Hier bekomme ich einen frisch gepressten Orangensaft, guter Kompromiss. Leicht verträumt (ist ja Wochenende, was ganz schön anstrengend für mich als Lerche ist) schlürfe ich auf der Suche nach Energie meinen köstlichen Saft und spiele mit dem Salzstreuer in meinen Fingern. Als ich aufblicke sehe etwas schwarzes im Salz, iiihh! Ach nein, sind nur Kaffeebohnen. Scheint so gut zu funktionieren wie Reiskörner, was mein Streutest bewiesen hat. Denn ich musste ja prüfen, ob das Salz nach Kaffee schmeckt, für mich als kein Kaffeetrinker entscheidend. Und nein nur salzig, hatte aber ja auch nie das Gefühl, das Schweizer Salzstreuersalz schmeckte nach Reis. Apropos Salzstreuer, ich habe ja eigentlich gehört, dass diese hier nicht auf dem Cafétisch stehen dürfen - Gesundheitsamt. Mir kam es gelegen, mit Saft und Salz gegen meine Dehydration ankämpfend mache ich mich gestärkt weiter.
So viele Gedanken über Salz lassen mich zu einem hübschen Geschäft schlendern. Hier gibt es jede Menge Gewürze. Eigentlich sollte es eher im alten Europa schwierig sein an exotische Gewürze zu kommen und man müsste ein Kolonialwarengeschäft aufsuchen. Es erweist sich aber hier problematischer. Da ist mir dieses Geschäft besonders lieb. Die Taschen gefüllt mit Anis, Paprika und Curry freue ich mich schon auf das heutige Fleisch.
Für das Abendessen ist es aber noch weit zu früh. Ich entscheide mich für eine Merienda, ein Nachmittagssnack. Da kommt mir auf meinem Nachhauseweg ein kleines Geschäft ganz gelegen. Eine Sandwicheria. Ich bestelle mir an der Theke ein Sandwich, erst versuchte ich es mit einem bocadillo. Der Herr auf der anderen Seite schaut mich aber nur verlegen an. Dann eben ein Sandwich, queso y jamón. Ist mir ja vertraut, ebenso wie die folgende Frage des Herrn: "¿Qué más?" Und bevor ich ablehnen wollte schaue ich mich um und frage, ob ich ein Telegramm hier verschicken könne? No señor, hier gibts nur Sandwichs, Fotokopien, Internet und Fax. Ok, also nichts mehr sonst.
Interessantes unbekanntes Geschäftsmodell